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Gebäude ganzheitlich gedacht

Lebenszykluskosten als Schlüssel für nachhaltige und wirtschaftliche Gebäudeplanung

25.07.2025, Lesezeit: 3 Minuten
Baubeginn Wien
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Philipp Racher

Energy and Building Physics Expert bei ATP sustain

Eine der größten Herausforderungen der Baubranche ist es, Investitionen richtig zu lenken. Lebenszykluskosten bieten dafür eine fundierte Entscheidungsgrundlage – ökonomisch wie ökologisch. Sie zeigen, welche Bauvarianten langfristig effizient sind, und fördern nachhaltige Strategien. Denn oft gilt: Wer günstig baut, zahlt später doppelt – durch Betrieb, Wartung und Rückbau.

Im Bauwesen liegt der Fokus oft auf niedrigen Investitionskosten. Dabei entstehen die größten Kostenblöcke meist erst im Betrieb und bei der späteren Instandhaltung. Lebenszykluskosten (Life Cycle Costs) machen diese Zusammenhänge transparent: Sie beziehen sämtliche gebäudebezogenen Ausgaben ein – von der Errichtung über Wartung, Umbauten und Energieverbrauch bis zum Rückbau. Eine wirtschaftlich und ökologisch zukunftsfähige Planung beginnt damit schon in der frühen Entwurfsphase.

Besonders interessant ist, dass auch die CO₂-Bepreisung einfließt – aktuell z. B. in Österreich 32,50 €/t CO₂, in Deutschland 45 €/t und in der Schweiz schon 120 €/t. Außerdem werden nur in den Lebenszykluskosten auch die Abbruchkosten und Entsorgungskosten mitberücksichtigt.

Lebenszyklusdenken zahlt sich aus
Eine der häufigsten Fehlannahmen: Ein günstiges Gebäude sei automatisch wirtschaftlich. Tatsächlich führt eine Reduktion der Baukosten oft zu überproportional hohen Betriebsausgaben. Beispielsweise verursachen eine mangelnde Dämmung oder veraltete, ineffiziente Haustechnik langfristig erhebliche Energiekosten. Lebenszykluskostenanalysen zeigen in solchen Fällen, dass hochwertige, langlebige Materialien und Systeme – trotz höherer Anfangsinvestition – deutlich wirtschaftlicher sind.

Oft führen günstige Baukosten zu hohen Betriebskosten. Eine frühzeitige Analyse kann große Einsparungen bringen oder teure Fehlentscheidungen vermeiden.

Prognose für Planungssicherheit
Zur Berechnung von Lebenszykluskosten kommt in der Regel die dynamische Barwertmethode zum Einsatz. Hierbei werden prognostizierte Kosten auf den heutigen Wert (Barwert) diskontiert und miteinander verglichen. Zentrale Parameter sind:

  • Betrachtungszeitraum (z. B. 50 Jahre)

  • Diskontierungszinssatz zur Abzinsung zukünftiger Ausgaben

  • Annahmen zur Preisentwicklung (z. B. Energie, Wartung)

Dabei wird berücksichtigt, dass Kosten und Einnahmen, die in Zukunft anfallen oder erwartet werden, weniger wert sind als solche, die heute anfallen oder eingenommen werden. Die Abzinsung aller Kosten auf den heutigen Barwert ermöglicht deren Vergleich und die Identifizierung der größten Kostengruppen über die Lebensdauer.

Da Prognosen über mehrere Jahrzehnte mit Unsicherheiten verbunden sind, hat sich die Lebenszyklus-Differenzkostenbetrachtung als besonders praxistauglich erwiesen: Für verschiedene Gebäudevarianten – etwa bei Fassade, Technik oder Versorgung – werden die Lebenszykluskosten ermittelt und miteinander verglichen, um belastbare Entscheidungen zu treffen. Dieser Ansatz eliminiert Fehler und Toleranzen in den Einzelbetrachtungen und bietet damit eine gute Entscheidungsgrundlage. 

Gebäude als Ressourcenspeicher denken
Ein vielversprechender Ansatz ist die Betrachtung von Materialien als strategische Ressource. Tools wie Madaster ermöglichen die Dokumentation über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Werden Materialien sortenrein rückbaubar eingebaut, können sie am Ende des Gebäudelebens wiederverwertet oder sogar mit Gewinn veräußert werden.

Ein plakatives Beispiel: Eine Fassade aus Kupfer ist in der Herstellung teurer als Alternativen aus Holz oder Aluminium – ihr Materialwert kann über Jahrzehnte hinweg jedoch so stark steigen, dass sich die Investition vollständig amortisiert.

Praxisbeispiel
In einem Schweizer Projekt wurden vier Fassadenvarianten miteinander verglichen – darunter eine gebäudeintegrierte Photovoltaiklösung. Diese war in der Errichtung mit rund 1,2 Mio. CHF die teuerste Option. Über den Lebenszyklus hinweg reduzierte sich ihr Gesamtwert auf rund 360.000 CHF – dank eingesparter Energiekosten und Einspeisevergütung. Die Amortisationszeit betrug lediglich zwölf Jahre. Danach generierte die Fassade wirtschaftlichen Mehrwert – und war über den gesamten Lebenszyklus die kostengünstigste Lösung.

Nachhaltigkeit zahlt sich aus
Eine gängige Faustregel: Die Betriebs- und Instandhaltungskosten eines durchschnittlichen Gebäudes können das Vier- bis Fünffache der Baukosten betragen. Besonders bei konventioneller Bauweise ohne Fokus auf Energieeffizienz oder Wartungsarmut kann dieser Faktor deutlich steigen.

Lebenszykluskosten ermöglichen es, gezielt gegenzusteuern – durch die Wahl langlebiger Materialien, effizienter Technik oder durchdachter Gebäudekonzepte. 

Fazit und Ausblick
Lebenszykluskosten sind mehr als ein Rechentool – sie sind ein Steuerungsinstrument für zukunftsfähiges Bauen. Sie machen sichtbar, welche Entscheidungen sich langfristig lohnen – ökonomisch und ökologisch. In Zeiten steigender Energiepreise, zunehmender Regulierungen und wachsender Verantwortung für den Klimaschutz sind sie ein unverzichtbarer Baustein einer klimabewussten, wirtschaftlich tragfähigen Planung.

Lebenszykluskosten sollen fixer Bestandteil jeder Planung werden – nicht nur im nachhaltigen Bauen. Systeme wie LEED, BREEAM oder DGNB berücksichtigen das bereits. Perspektivisch könnte der Energieausweis um einen CO2-Ausweis erweitert werden – das wäre ein richtiger nächster Schritt.

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